Industrie wächst gut, Binnenkonsum schwächelt
Das Wirtschaftswachstum lag mit 5,3 % p. a. in den ersten drei Monaten des Jahres über den Erwartungen, und auch die jüngsten Konjunkturdaten deuten auf ein solides, aber keinesfalls überschäumendes Wachstum im aktuellen Quartal. So weit, so gut. Doch ein genauer Blick offenbart, dass die Konjunktur vor allem von der Industrieproduktion getragen wurde, während Dienstleistungen, Binnenkonsum und Investitionen und unterdurchschnittlich wuchsen. Diese drei Bereiche hängen natürlich in erheblichem Maße am Immobiliensektor und dieser ist bekanntlich seit Jahren das große Sorgenkind Pekings.
Einst war er ein maßgeblicher Wachstumsmotor, seit geraumer Zeit ist er aber ein großer Bremsklotz und potenzieller Brandherd fürs Finanzsystem. Kein Wunder also, dass die chinesische Führung versucht, den Sektor jetzt stärker zu beleben, nachdem in den letzten Jahren vor allem Risikoeindämmung das Gebot der Stunde schien. Die diesbezüglichen Maßnahmen sind bislang aber im Umfang recht bescheiden. Die Vorsicht ist zwar nachvollziehbar (eine neue Immobilienblase will niemand in Peking) und Chinas finanzielle Ressourcen sind nicht unbegrenzt, aber schnelle, durchgreifende Verbesserungen sind von dieser Seite damit nicht zu erwarten.
EU geht gegen chinesische Autoexporte vor
Wenn die Binnennachfrage der privaten Haushalte (und vieler Unternehmen) als Wachstumsmotor wegfällt, liegt es nahe, dies über höhere Exporte auszugleichen. Genau das sieht man in den USA und zunehmend auch in der EU aber mit Sorge und befürchtet Schäden für die einheimischen Unternehmen als Folge von Billigimporten und chinesischen Subventionen. Das ist zumindest die offizielle Rhetorik, die auch hinter den jüngsten Ankündigungen der EU steht. Nach den USA haben nun auch die Europäer offenbar vor, hohe Importzölle auf chinesische Elektroautos zu verhängen. Ähnlich wie in den USA ist das aber eher ein Schritt gegen künftige chinesische Exporte, denn bislang sind Elektroautos (oder überhaupt Kraftfahrzeuge) aus China absolute Exoten in der EU und den USA. Die Reaktion aus Peking ließ nicht auf sich warten. China dürfte mit Gegenmaßnahmen antworten, beispielsweise gegen europäische Automobilhersteller.
China auf der technologischen Überholspur
Am Beispiel der Elektroautos wird zugleich deutlich, wie stark sich das Bild in den letzten zehn Jahren gewandelt hat. Von der billigen Werkbank der Welt, deren Exporte zumeist sehr willkommen waren, ist China gerade in vielen Zukunftstechnologien inzwischen zum handfesten Konkurrenten oder gar Weltmarktführer geworden – Batterien, Elektroautos, Solarpaneele und weitere „grüne“ Technologien.
Der Vorwurf, China exportiere damit seine wirtschaftlichen Probleme in den Rest der Welt ist zwar nicht völlig falsch, aber er ist in dieser Pauschalität nicht richtig. Jahrelang wurde Peking für zu laxe Umweltstandards und zu hohe Treibhausgasemissionen gescholten. Nun hat man im Reich der Mitte massiv auf diesem Gebiet investiert und zugleich einen riesigen Pool an Ingenieur:innen, Wissenschaftler: innen und Fachleuten herangebildet. Dass man dieses Know-How und die geschaffenen Produktionskapazitäten nicht allein für den Binnenmarkt nutzt, kann man den Chinesen schwerlich vorwerfen.
Chinesische Subventionen sind dabei wohl kaum das alleinige oder auch gar nicht das entscheidende Problem, sondern eher die Tatsache, dass das Land in den letzten 20 Jahren eine hochmoderne, stark automatisierte Automobilindustrie aus dem Boden gestampft hat, die den bisherigen Platzhirschen auch ohne staatliche Subventionen kostentechnisch überlegen ist und zugleich qualitativ und technologisch die einst riesige Lücke weitgehend geschlossen hat.
Aktienmärkte: Erholung legt eine Pause ein
Chinas Aktienbörsen haben sich seit Ende Februar kräftig erholt, vor allem die in Hongkong gelisteten H-Aktien. Ab Mitte Mai geriet dieser Aufschwung ins Stocken und die entsprechenden Indizes gaben von ihren zwischenzeitlichen neuen Jahreshochs zwischen 3 % und 8 % nach. Für den Mai insgesamt bleib in Hongkong dennoch ein Plus von rund 2 %, während bei den A-Aktien auf dem chinesischen Festland ein leichtes Minus von rund 0,7 % zu Buche stand. Die Bewertungen in etlichen Marktsektoren sind weiterhin sehr niedrig, sowohl im Vergleich zur langfristigen eigenen Historie als auch im internationalen Vergleich.
Angesichts der anhaltenden Probleme im Immobilienbereich, der teilweise starken und unvorhergesehenen regulatorischen Eingriffe der Behörden in den letzten Jahren und der geopolitischen Risiken (Stichwort Handelskonflikte und Sanktionen) dürfte China wohl bis auf weiteres mit einem deutlichen Bewertungsabschlag handeln.