Über den Nutzen der Atomenergie für die Energiewende
Round-Table-Diskussion unter der Moderation durch Mag. (FH) Dieter Aigner, Geschäftsführer Raiffeisen KAG sowie den Experten
Mag. Werner Gruber, Physiker (ehem. Science Busters), Wien
Dr. Nikolaus Müllner, Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften, Universität für Bodenkultur, Wien
Mag. Gabriel Panzenböck, Fondsmanager, Raiffeisen KAG, Wien
Mag. Stefan Sengelin, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Innovation und Technologie, Wien
Herr Gruber, wir kennen Sie aus den Medien als jemanden, der sich im Sinne der Nachhaltigkeit für Atomkraftwerke ausspricht. Können Sie uns Ihre Argumente darlegen?
Werner Gruber: Mein Arbeitsgebiet ist – neben dem Kochen von Würsteln und Schweinsbraten als ehemaliges Science-Busters-Mitglied im Fernsehen – die Neurophysik. Und ich bin seit circa 10 Jahren im Bereich Umweltschutz und Öffentlichkeitsarbeit sehr aktiv und auch Forschungsbeauftragter des Burgenlands. Als solcher bin ich auch nahe an der Politik und kenne die Vorurteile in der Bevölkerung hinsichtlich Nukleartechnologie ziemlich gut. Würden Sie mich fragen: Atomenergie ja oder nein?, wäre meine Antwort: Nein, wozu! Nur entscheiden wir uns nicht für oder gegen etwas, sondern wägen zwischen mehreren Möglichkeiten ab und versuchen, den Preis für die Entscheidung möglichst klein zu halten.
Von welchem Preis reden wir?
Werner Gruber: In dem Fall von CO2-Emissionen. Nehmen wir das Beispiel Hainburg: Viele Österreicher:innen haben gesagt, wir brauchen Hainburg nicht. Die Konsequenz daraus war, dass Dürnrohr gebaut wurde, ein Kohlekraftwerk, das den meisten CO2-Ausstoß in ganz Österreich verursacht hat. Hätten wir Hainburg, würde unsere Energieproblematik heute etwas anders aussehen. Um heute zu Energie zu kommen, haben wir in Österreich die Wahl zwischen Kohle- und Ölkraftwerken – in Hinblick auf den Klimawandel keine gute Wahl –, Erdgas, das etwas sauberer ist, aber in der CO2-Belastung genauso wie Kohle und Öl einen hohen ökologischen Preis hat und wir haben Wind- und Solarenergie – ökologisch eine tolle Sache, doch mit dem großen Nachteil, dass beides nicht regulierbar ist. Ich kann Spannungsspitzen damit nicht einfach abfangen. Das bedeutet, wir brauchen Regelkraftwerke, und da bleiben nur zwei CO2-neutrale Möglichkeiten: Wasserkraft oder Kernkraft. In Österreich haben wir großes Glück, viel Wasserkraft zu haben, aber beispielsweise Tschechien tut sich da schon schwerer. Daher verteufle ich die Atomenergie nicht per se.
Doch die hohen Kosten und der radioaktive Müll machen das Ganze wieder teurer …
Werner Gruber: Es heißt immer: Was machen wir mit dem radioaktiven Müll? Aber dazu gibt es sehr viel Forschung. Der italienische Physiker Carlo Rubbia, Nobelpreisträger und ehemaliger Chef von Cern, hat bereits in den frühen 1990er-Jahren eine Idee vorgestellt, wie höchst radioaktiver Müll mit Hilfe von Neutronen in minder radioaktiven Müll umgewandelt werden kann. Dieser muss dann zwar auch beaufsichtigt werden, aber nur für eine sehr begrenzte Zeit, rund 50 Jahre. Viele Länder in Europa setzen bereits auf Teilchenbeschleuniger-getriebene Systeme, wie das von Myrrha, einer Spallationsanlage, mit der es möglich ist, höchst radioaktiven Müll umzuwandeln. Sie befindet sich noch in einem experimentellen Betriebsstatus, aber es funktioniert und es gibt keine physikalisch-technischen Probleme. Sie wird bald auf Volllast gehen.
"Sicherheitsstandards wie in der Raumfahrt"
Herr Müllner, Sie befassen sich in Ihrem Institut an der Universität für Bodenkultur unter anderem auch mit den Risiken von Atomkraftwerken. Hat Kernenergie das Potenzial, etwas zur Energiewende beizutragen?
Nikolaus Müllner: Wenn man sich den Zeitrahmen für Entwicklung, Errichtung und Bewilligung von Kernkraftwerken ansieht, dann umfasst dieser Jahrzehnte. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, denn ich habe bei der Bewilligung des Kernkraftwerks Atucha in Argentinien mitgearbeitet. Man macht sich keine Vorstellung, wie anders ein Kernkraftwerk im Vergleich zu einer normalen Industrieanlage ist, denn aufgrund der hohen Radioaktivität gibt es technisch einfach extreme Anforderungen. In keiner anderen Industrie gibt es so hohe Sicherheitsstandards wie in der Kerntechnik. Ich würde sagen, die Qualitätsanforderungen bei der Kerntechnik sind ungefähr dort, wo sie sonst noch in der Raumfahrt sind. Und das macht das Ganze also langsam.
Können Sie uns vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?
Nikolaus Müllner: Tschechien plant derzeit einen Ersatz für das Atomkraftwerk Dukovany. Das neue Kraftwerk soll in den 2040er-Jahren ans Netz gehen. Die Planung läuft seit 2015, also rechnet man mit rund 25 Jahren, bis ein neues Kraftwerk von der Planung bis zur Bewilligung und Errichtung einsatzbereit ist. Da rede ich aber von einem konventionellen Kraftwerk und nicht von einem der neuen Reaktortypen, die derzeit in den Medien so prominent vorkommen und die alles Mögliche, dem Versprechen nach, besser können. Tschechien hat sich für ein „proof on Design“ entschieden, einen Reaktor, der irgendwo schon einmal errichtet wurde und der sich bewährt hat. 25 Jahre, das ist ein langer Zeitraum und man muss berücksichtigen, dass Tschechien ein Staat mit entsprechender technischer Infrastruktur ist. In Österreich würde das sicherlich noch zehn Jahre länger dauern.
Für die Energiewende wohl keine Option.
Nikolaus Müllner: Nein, denn was derzeit nicht in Planung ist, wird man vor 2040 nicht sehen. Das muss man einfach so klar sagen, und das sind nicht sehr viele Projekte. Europaweit sind acht Reaktoren in Frankreich in Planung und eben das genannte in Tschechien. Ungarn hat sein Kraftwerk schon in Bau.
Macht die Lebensdauerverlängerung von Atomkraftwerken Sinn?
Nikolaus Müllner: In Hinblick auf die CO2-Emissionen ja. Es gibt zwar nicht null Emissionen, aber eben weniger Emissionen. Es ist eine Niedrigemissionstechnologie. Aber ich habe immer noch das Klumpenrisiko bei der Sicherheit. 100 % sicher sind weder die Reaktoren, die wir haben, noch kriegen wir 100 % Sicherheit bei künftigen Technologien hin. Sicher heißt in dem Fall definierte Anlagenzustände und definierte Unfallzustände. Das heißt, das Kraftwerk muss in der Lage sein, eine Liste von Unfällen, Ereignissen zu beherrschen. Doch kein Kraftwerk der Welt ist gegen alles Denkbare geschützt und dazu gehören eben auch Naturereignisse wie der Tsunami in Fukushima. Und dieses Problem betrifft natürlich auch die Lebensdauerverlängerung. Ich bekomme ein Kraftwerk, das in den 1970ern geplant und in den 1980ern errichtet wurde, nicht auf das technische Niveau, das heute von einem Kraftwerk gefordert wird. Daher sehe ich das auch problematischer als Herr Gruber. Natürlich ist es ein Abwägen: zwischen Klumpenrisiko und CO2-Emissionen.
Und Ihre Einschätzung zu Myrrha?
Nikolaus Müllner: Wir haben uns mit diesem Konzept im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung in Deutschland genauer beschäftigt. Die erwähnten Versprechen sind natürlich gut, von der Umsetzung sind wir aber noch weit entfernt. Es könnte für Länder mit einem breiten Kernenergie-Programm wie es beispielsweise Frankreich hat, sinnvoll sein. Der Reaktor, der einen Teilchenbeschleuniger benötigt, um Kritikalität zu erreichen, transmutiert einen Teil der radioaktiven Abfälle. Das ist eine völlig neue Technologie. Ob das im Realbetrieb dann wirklich so funktioniert, wird man erst sehen. Frankreich hat diesen Weg zwar nicht ausgeschlossen, geht aber dennoch in Richtung tiefengeologisches Endlager. Selbst wenn das alles sehr gut funktioniert, wird man nicht ganz ohne Endlager auskommen. Denn bei dem Prozess bleiben langlebige Spaltprodukte, die hoch radioaktiv sind, übrig. Ich habe dann halt nicht hunderttausend Jahre oder eine Million Jahre Rücklaufzeit, sondern Zeiträume von 1.000 bis 10.000 Jahren, in denen das abgebaut wird.
"Keine nachhaltige Form der Energieerzeugung"
Herr Sengelin, das alles soll nun nachhaltig sein, wenn es nach der EU-Taxonomie geht. Ihr Ministerium sieht das bekannterweise anders.
Stefan Sengelin: Unsere Position ist, dass Kernenergie keine nachhaltige Form der Energieerzeugung ist. Mit der Taxonomie hat die EU einen Rahmen geschaffen, um die ökologische Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten zu klassifizieren. Die EU-Taxonomie ist kein rechtliches Rahmenwerk, um das Ziel der Versorgungssicherheit zu verfolgen oder Investitionen in Kernkraftwerke zu verbieten. Es steht jedem Mitgliedstaat frei, seinen Energiemix selbst zu wählen. Gleichzeitig ist es für uns als Klimaschutzministerium nicht in Ordnung, hier zu sagen: Kernenergie ist ökologisch nachhaltig. Und daher verdient sie auch nicht die Incentivierung, dass Investitionsströme dorthin gelenkt werden. Die Kernenergie ist sehr kapitalintensiv und sie konkurriert natürlich mit anderen Energieerzeugungsformen. Das heißt, dass von diesen, beispielsweise den Erneuerbaren, Kapital weggeleitet wird.
Sie erweist der Energiewende einen Bärendienst?
Stefan Sengelin: Die Taxonomie ist als Rahmen ein sehr sinnvolles Regelwerk, um den Finanzmarkt in Hinblick auf ökologisch nachhaltige und grüne Aktivitäten einheitlicher, vergleichbarer und transparenter zu gestalten. Sie hat ganz klare Vorgaben im Gesetzestext gemacht, welche Bedingungen für ökologische Nachhaltigkeit erfüllt sein müssen. Doch die Europäische Kommission hat in einem ergänzenden delegierten Rechtsakt, wo die Kernenergie und fossile Gasaktivitäten als ökologisch nachhaltig klassifiziert werden, diese Vorbedingungen ganz klar missachtet. Wenn etwa neue Kernkraftwerke erst 2050 ans Netz gehen können, dann kann de facto kein Beitrag zum Klimaneutralitätsziel bis 2050 unterstützt werden, so wie es im Green Deal steht. Darüber hinaus werden die anderen Umweltziele verletzt, die ebenfalls in der Taxonomie enthalten sind, beispielsweise die Endlagerung oder die Risiken, die wir bereits gehört haben. Wir sehen hier eine ganz klare Verletzung des Regelwerks und haben deshalb auch die bekannte Klage dagegen eingebracht.
Nun heißt das ja nicht, dass in Atomenergie investiert werden muss. Es steht den Investoren frei, ihr Kapital anders anzulegen.
Stefan Sengelin: Ja, das ist der regulatorische Aspekt, der im Übrigen auch vorsieht, dass seitens der Investoren klar dargelegt werden muss, wie hoch der Anteil an Kernkraft und fossilem Gas in einem Investment ist. Doch zu diesem regulatorischen Aspekt kommt die Marktakzeptanz hinzu. Und wenn ich mir die Labels anschaue, die in Europa derzeit beim Thema Nachhaltigkeit relevant sind, und diverse Frameworks von Unternehmen und Staatsanleihen, dann habe ich bei sehr vielen von vornherein den Ausschluss von Kernenergie festgehalten. Dazu gehören Labels wie unser Umweltzeichen oder das Nordic Swan Ecolabel, das FNG-Siegel in Deutschland und das LuxFLAG-Label. Sogar das französische GreenFin-Label schließt Kernenergie aus. Hinzu kommen viele Staatsanleihen wie beispielsweise auch der österreichische staatliche Green Bond. Die Frage ist also auch, ob Investorinnen und Investoren ihr Geld überhaupt in Kernenergie anlegen wollen.
Wollen Investorinnen und Investoren in Kernenergie investieren?
Gabriel Panzenböck: Die wirtschaftliche Attraktivität derartiger Investments ist sehr beschränkt. Und diesen Aspekt würde ich hier gerne einbringen. Herr Gruber hat ganz am Anfang schon festgestellt, dass es immer ein Abwägen ist. Was macht man, und was sind die Alternativen? Und hier wurden bereits Wind- und Solarenergie genannt, also CO2-freie Energiequellen. Wir stehen vor der Klimakatastrophe, das ist inzwischen in unser aller Köpfe angekommen. Und auch über die Urgenz des Handelns herrscht Konsens. Es wäre gut gewesen, bereits vor 20 Jahren etwas zu tun, aber jetzt gibt es immerhin politikrelevante Horizonte, Pläne der EU mit konkreten Zielen, die wir erreichen müssen. Und natürlich stellt sich die Frage, mit welchen Technologien wir das schaffen können.
… und ob diese Technologien auch attraktive Investmentthemen sind.
Gabriel Panzenböck: Rein wirtschaftlich betrachtet, haben wir das Phänomen, dass wir einerseits bei Solar-, Wind- und auch Speichertechnologien ein Moore’sches Gesetz haben – das heißt, die Kosten sinken prozentuell Jahr für Jahr. Es ist unfassbar, wie rasant günstiger die Technologien bei gleichzeitig wachsenden Fortschritten werden. Und diese Technologien sind bereits verfügbar und billig. Während es bei der Atomenergie genau umgekehrt ist. Dort ist es so, dass auch inflationsbereinigt die Kraftwerke immer teurer werden. Jede Kilowattstunde aus Nuklear wird kontinuierlich teurer. Und hinzukommt, dass wir dort das Phänomen der Externalitäten haben. Das bedeutet, dass beispielsweise die Endlagerung von der öffentlichen Hand bezahlt wird. Für Investoren ist das ein zusätzliches Risiko, da es Tendenzen gibt, diese Externalitäten zu internalisieren. Das würde das Ganze dann noch teurer machen. Es gibt also auf mehreren Ebenen der Kosten Aspekte, die gegen Nuklearenergie sprechen. Wenn ich als Investor nun die Wahl zwischen der teuren Raumfahrttechnologie – der Vergleich von Herrn Müllner gefällt mir – und den günstigen Erneuerbaren habe, dann ist ziemlich klar, was mehr Erträge bringen kann und wofür ich mich entscheide, das ist ein No-Brainer.
Du bist auch Teil der Arbeitsgruppe „Energiewende“, eines von mehreren Zukunftsthemen, die wir in Teams bearbeiten und analysieren. Welche Erkenntnisse – aus Investorensicht – habt ihr dort gewonnen?
Gabriel Panzenböck: Sehr viele, aber eine davon ist mir noch ganz wichtig zu erwähnen. Bei der Energieversorgung gibt es gerade einen Paradigmenwechsel. Das alte Denken von Energieversorgern – gerade beim Strom –, dass man einfach Lastprofile abruft und monatlich pauschal an die Verbraucher verrechnet, wird bald der Vergangenheit angehören. Es geht inzwischen ganz klar in Richtung marktbasiertes System. Denn mit der Dynamisierung der Energieproduktion – Wind- und Solarenergie sind nicht konstant abrufbar – werden die Energiepreise in sich inhärent stärker schwanken. Das wird zu einer Incentivierung beim Verbrauch führen und es wird Marktmechanismen geben, die das abbilden. Das bedeutet, Smart Meter, die verbrauchsgenaue Abrechnung, wird die Zukunft sein. Der Verbrauch folgt der Produktion und nicht umgekehrt. Das bedeutet aber auch, dass Netzwerkeffekte eine wichtige Rolle spielen werden. Denn wenn in Deutschland kein Wind weht, geht er vielleicht in Polen, in Griechenland oder Portugal. Es gibt Karten, die die Korrelation von Windanfälligkeiten wunderbar zeigen. Und wenn man sich die Kosten für einen Windpark im Vergleich zu einem Atomkraftwerk ansieht, dann ist das eine sehr einfache Rechnung.
"Wir brauchen Speicherkapazität"
Herr Gruber, Sie möchten dem etwas hinzufügen.
Werner Gruber: Ich weiß, dass Wind- und Solarenergie derzeit extrem sexy sind. Das Problem sind dabei nur die Batteriespeicher. Wir sind gerade dabei, im Burgenland – und dort gibt es seit Jahrzehnten sehr viele Wind- und Sonnenenergiekraftwerke – einen Batteriespeicher für 340 Megawatt hinzustellen. Damit können wir das ganze Burgenland für vier Stunden versorgen. Ich betone nochmals: für vier Stunden, nicht länger. Das heißt, wenn wir vier Tage Nebel und Windlosigkeit haben, was vielleicht einmal im Jahr vorkommt, dann haben wir ein Problem. Wir brauchen Speicherkapazität und das ist technologisch ein hochexperimentelles Gebiet. Die ETH Zürich hat einen 1-Terrawatt-Speicher gebaut, von dem man noch nicht weiß, ob er sich bewähren wird oder ob man ihn in 5 oder 10 Jahren mit all den Schadstoffen entsorgen wird müssen. Der von Herrn Panzenböck angesprochene Plan, dass wir Energie aus Teilen Europas zukaufen, wo gerade der Wind weht oder die Sonne scheint, klingt gut, aber wir haben nicht das Netz und wenn wir es über Strom doch schaffen, dann haben wir einen Verlust von rund 30 %. Wir können uns mit der aktuellen Energiekrise aber keine Verluste leisten, nicht von einem einzigen Kilowatt. Und der Aufbau eines derartigen Netzes dauert wahrscheinlich zehn Jahre, zwanzig, wenn wir auch von den Rändern Europas im Westen und Osten reden. Für die weitere Zukunft ist das aber ein wichtiger Plan.
Was sind nun die To-Dos der europäischen Politik? Wo müssen wir die großen Hebel ansetzen?
Stefan Sengelin: Es sind derzeit viele Maßnahmen in Richtung CO2-Reduktion auf dem Tisch. Der politische Diskurs ist nicht einfach und einiges davon ist schwer umzusetzen, weil viele Menschen davon betroffen sind und die Widerstände entsprechend groß sind. Aber nichtsdestotrotz sind wir dran. Eine sehr wichtige Maßnahme ist die CO2-Bepreisung. Da konnte sich Österreich endlich in die Reihe der Staaten einfügen, die eine explizite CO2-Bepreisung haben. Die von Herrn Panzenböck angesprochene wirtschaftliche Dimension spielt der Energiewende natürlich in die Hände. Wir haben einen ganz klaren Kostenvorteil bei all diesen Technologien. Wenn von einer Entscheidung zwischen Kernenergie und fossilen Energien die Rede ist, sollte die Diskussion breiter geführt werden. Wir brauchen Investitionen in das Lastmanagement, in Technologien wie Netze, Speicher und Smart Meter, die dazu führen, dass wir die Lastprofile in der derzeitigen Form durch andere Möglichkeiten ersetzen können und wir Kraftwerke, die ständig laufen müssen, in dieser Form nicht mehr brauchen. Lenken wir Finanzflüsse in diese Technologien, die dazu beitragen, dass wir alte Systeme überwinden können. Was braucht es von politischer Seite? Es braucht gewiss finanzielle Anreize, aber nicht nur. Es braucht vor allem auch klare einheitliche Definitionen und Offenlegungen, was grün ist und welche Investitionen zu den Zielen des Green Deals beitragen. In diesem Zusammenhang ist Greenwashing – also die irreführende Bezeichnung von vermeintlich grünen Investitionen, die nicht zu den Umwelt- und Klimazielen im geforderten Ausmaß beitragen – ein Thema, das von den Aufsichtsbehörden genau verfolgt wird. Es ist wichtig, dass das Thema Umweltschutz den gleichen Stellenwert bekommt wie monetäre Kennzahlen. Das wird auf europäischer Ebene mit der neuen Unternehmensberichterstattung jetzt auch umgesetzt.
Nikolaus Müllner: Es gibt noch einen Punkt, der noch nicht angesprochen wurde und den ich noch erwähnen möchte: das Energiesparen. Und da ist noch sehr viel möglich. Es gibt einen sehr schönen Bericht vom Umweltbundesamt, wie Österreich seine Klimaziele erreichen könnte. Die Autoren des Berichts empfehlen hauptsächlich Einsparungen. Umstellen der Wirtschaft auf Kreislaufwirtschaft, zu versuchen diese Produktfülle, die wir derzeit haben, zu reduzieren, die Lebenszyklen der einzelnen Produkte zu verlängern, dann habe ich auch sofort weniger Transport, weniger Abfall. Bei Siedlungsstrukturen zu ermutigen, kompakter zu bauen, damit ich nicht so viel Transport habe, die Flächenversiegelung zu reduzieren. Das geht natürlich auch nicht von heute auf morgen, aber das scheint mir viel leichter umsetzbar zu sein als die anderen Möglichkeiten. Also einfach ein bisschen runter vom Energiekonsum.
Atomenergie – aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet
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