US-Aktien haben eine turbulente Zeit hinter sich. Sind sie noch ein Investment wert?
Der US-amerikanische Aktienmarkt korrigierte im vergangenen Jahr kräftig. Die großen Aktienindizes gaben zwischen 25 % und über 30 % nach. Trotz dieses Kursrückgangs hat der viel beachtete S&P 500 Index über das vergangene Jahrzehnt aber zweistellige prozentuale Wertzuwächse pro Jahr erzielt. Heuer erholten sich die großen Aktienindizes im ersten Halbjahr deutlich. Der S&P 500 Index kam sogar bis auf rund 6 % an sein Allzeithoch vom Jahreswechsel 2021/2022 heran, fiel danach aber wieder etwas zurück. Die Aktienbewertungen scheinen derzeit nicht übermäßig günstig und Rezessionssorgen sowie Renditeanstiege auf den Anleihemärkten lassen viele Marktteilnehmer:innen zaudern. Was tun?
Aktienindizes zeigen nur einen Teil der Wahrheit
Wichtig ist zu verstehen, dass Aktienindizes immer nur ein Barometer bzw. eine Kennzahl für einen mehr oder minder repräsentativen Teil des Marktes sind, und dass sie zuweilen über die tatsächliche Verfassung der großen Masse der Aktien in die Irre führen können. So liegt der schon angesprochene Index S&P 500 zwar seit Jahresbeginn rund 10 % im Plus, doch ohne das Kursplus bei sieben seiner größten Aktien (von insgesamt 500 Unternehmen im Index) wäre der Wert des Index unverändert.
Zugleich gibt es zwar zahlreiche weitere Aktien, die gut im Plus liegen, aber auch sehr viele, die stark an Wert verloren haben. Zahlreiche US-Aktien haben also bereits damit begonnen, unvorteilhaftere Szenarien für Konjunktur, Unternehmensgewinne und Zinslandschaft einzupreisen. Das wiederum könnte bedeuten, dass das weitere Abwärtspotenzial für diese Aktien im Falle einer Rezession gar nicht so groß ist, wie es die Aktienindizes suggerieren. Im Gegenzug könnte eine etwaige Erholung bei diesen Aktien ebenso „unbemerkt“ in den großen Aktienindizes bleiben wie ihre bereits erfolgte Abwärtskorrektur.
Künstliche Intelligenz treibt Aktienkurse nach oben
Die sehr uneinheitliche Kursentwicklung hat mehrere Gründe. Einer der wesentlichen ist heuer der Boom der „künstlichen Intelligenz“ (KI). Nach der Einführung von ChatGPT und den extrem starken Quartalszahlen des Microchip-Herstellers Nvidia im Frühjahr sprangen die Kurse dutzender Unternehmen, die sich irgendwie mit dem Thema KI in Verbindung bringen ließen, kräftig nach oben. Doch die Euphorie war nicht von Dauer. Inzwischen schauen Anleger:innen schon recht genau hin, ob es wirklich signifikantes und realistisches Ertragspotenzial in diesem Zusammenhang gibt oder nicht. Auch deshalb scheint es unangemessen, beim KI-Boom eine Parallele zur Internet-Blase 1999/2000 zu ziehen.
Wirkungsmessung: Die Wirkung wird jährlich von der Raiffeisen KAG berechnet.* Die ausgewiesenen Daten beziehen sich auf die Unternehmen im Raiffeisen-Nachhaltigkeit-US-Aktien im Vergleich zum Gesamtmarkt.
Quelle: Raiffeisen KAG, Daten per 28. Juni 2024
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Risikofaktoren Rendite und Inflation
Das Wirtschaftswachstumin den USA zeigt sich bislang robusteralsvon den meisten Marktteilnehmer:innen erwartet. Besonders der Arbeitsmarkt bleibt stark ausgelastet. Das wiederum birgt neuerliches Inflationspotenzial und macht baldige Zinssenkungen unwahrscheinlich. Für den Aktienmarkt bedeutet das eine starke Konkurrenz durch attraktive Renditen am Anleihemarkt und künftig höhere Finanzierungskosten für die Unternehmen. Zugleich konnten sehr viele Firmen in den Zeiten hoher Inflation ihre Preise stärker anheben als ihre Kosten gestiegen sind.
Einer der größten Risikofaktoren stellt sicherlich die Inflations- und Zinsseite dar. Neuerlich aufkommende Inflationsdynamik und/oder weitere Renditeanstiege bei Anleihen wären zweifellos negativ für den gesamten US-Aktienmarkt. Gleichwohl sehen wir derzeit kein größeres Risiko für einen breiten kräftigen Marktabschwung quer über alle Branchen und Einzelaktien. Zugleich fehlt derzeit aber auch die Basis für einen kräftigen neuen allgemeinen Aufwärtsschub.
US-Aktien zu teuer im globalen Vergleich?
Viele Investor:innen scheuen die im internationalen Vergleich generell höheren Aktienbewertungen in den USA. Das ist einerseits verständlich. Andererseits aber gibt es gute Gründe für diese Bewertungsprämie: Die USA sind die weltweit stärkste Wirtschaftsmacht mit enormer Innovationskraft. US-Unternehmen dominieren in vielen Zukunftstechnologien und Zukunftsmärkten, nicht zuletzt im Internet. Die USA verfügen über umfangreiche natürliche Ressourcen, einschließlich großer Öl- und Gasvorkommen. Sie haben die größten und liquidesten Finanzmärkte und, nicht zu unterschätzen, die USA gelten im Krisenfall als sicherer Hafen in Zeiten von weltweiten Marktverwerfungen. Solange sich an diesen Faktoren nichts Substanzielles ändert, dürfte die angesprochene Bewertungsprämie erhalten bleiben. Sie ist daher aus unserer Sicht kein Argument gegen den US-Aktienmarkt, im Gegenteil.
Gute Aktienauswahl wird im kommenden Jahr entscheidend sein
Eine sehr lohnende Herausforderung wird darin bestehen, jene Unternehmen und Branchen korrekt zu identifizieren, die ihre Gewinnmargen verteidigen können und jene, die das nicht schaffen werden. Mit anderen Worten: Gute Aktienauswahl wird in den kommenden Quartalen ein wesentlicher Ertragsfaktor sein. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Investments in Aktien den Kapitalmarktbedingungen unterliegen, und auch eine sehr gute Aktienauswahl keine Erfolgsgarantie bietet.
Apropos, Unternehmensgewinne: Nachdem diese (zusammengefasst über den Gesamtmarkt) im ersten Halbjahr rückläufig waren, erwarten die meisten Analysten für die zweite Jahreshälfte sowie für 2024 Gewinnerholungen. Ob diese so eintreten werden, bleibt natürlich abzuwarten. Wir sehen aber gute Chancen in einer Reihe von Unternehmen, wobei der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-US-Aktien derzeit vor allem Unternehmen aus den Bereichen Gesundheitswesen und Informationstechnologie favorisiert. Schwieriger dürfte sich hingegen die Gewinnsituation für etliche Unternehmen entwickeln, die im diskretionären (also nicht lebensnotwenigen) Konsum tätig sind.
Auch in den USA gewinnt ESG an Bedeutung
Beim Thema ESG hinken die USA den Europäern deutlich hinterher. Doch das soll sich ändern. Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Infrastruktur und generell ESG-Themen wurden im vergangenen Jahr von der Biden-Administration kräftig unterstützt – nicht nur verbal, sondern auch mit erheblichen finanziellen Zuwendungen des Staates sowie mittels regulatorischer Vorgaben. Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, bekommen damit zusätzliche Unterstützung und könnten dadurch wahrscheinlich auch einen etwaigen stärkeren Konjunkturabschwung besser verkraften. Das sollte zusätzlichen Rückenwind auch für viele Unternehmen im Raiffeisen-Nachhaltigkeit-US-Aktien bieten.
Der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-US-Aktien weist eine erhöhte Volatilität auf, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.
*Um die Wirkung der Aktien-Investments im Fonds zu errechnen, wurden die Nachhaltigkeitskennzahlen von Unternehmen aus deren Nachhaltigkeitsberichterstattung übernommen. Die CO2-Emissionen werden üblicherweise in Tonnen CO2-Äquivalenten, Arbeitsunfälle als Lost-Time-Injury-Rate, die Abfallmenge in Tonnen und der Wasserverbrauch in m3 angegeben. Die Kennzahlen der einzelnen Unternehmen wurden mit deren Gewicht im Fonds bzw. im Gesamtmarkt multipliziert, die Ergebnisse pro Kennzahl miteinander verglichen. Für Anleiheteile von Fonds führen wir eine solche Berechnung derzeit nicht durch, da wir der Meinung sind, dass der „nachhaltige Fußabdruck“ dem Eigentümer, also Aktionär, zurechenbar ist, aber nicht dem Gläubiger, also Anleihekäufer.