US Inflation Reduction Act
Im August 2022 unterzeichnete US Präsident Joe Biden den Inflation Reduction Act (IRA). Das Gesetz beinhaltet Maßnahmen, die einerseits der hohen Inflation entgegenwirken und andererseits den Klimaschutz in den USA vorantreiben sollen. Im Vordergrund stehen Investments in emissionsarme und -freie Technologien, in saubere Stromerzeugung und -übertragung sowie in emissionsarme Verkehrsmittel. Geht es nach dem US Department of Energy (DOE), soll damit bis 2030 eine Reduktion der US-Treibhausgasemissionen von 40 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2005 erreicht werden können. Dafür werden rund 370 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, was die größte Investition in den Kampf gegen den Klimawandel in der Geschichte der USA darstellt. Das Gesetz sieht zusätzliche Ausgaben für den Affordable Care Act („Obamacare“) in Höhe von etwa 64 Milliarden US-Dollar vor. Die Finanzierung dieser Maßnahmen soll durch eine Kombination aus neuen Unternehmenssteuern, einem verschärften Steuervollzug und einer Reform der Preisgestaltung für verschreibungspflichtige Medikamente erfolgen. In Summe sollen dadurch an die 740 Milliarden US-Dollar in die Staatskasse gespült werden. Durch diese zusätzlichen Einnahmen erwartet die US-Regierung eine Reduktion des Haushaltsdefizits über die nächsten zehn Jahre um etwa 300 Milliarden US-Dollar.
EU Green Deal Industrial Plan
Obwohl der Inflation Reduction Act eine wichtige Maßnahme gegen den Klimawandel darstellt und somit klar zu begrüßen ist, sorgt er in Europa für reichlich Unruhe. Befürchtet wird, dass diese Subventionen zu Marktverzerrungen führen und Anreize für Unternehmen schaffen, aufgrund der großzügigen Förderungen in die USA abzuwandern.
Umso wichtiger ist das kürzlich vorgestellte Maßnahmenpaket der EU, der „Green Deal Industrial Plan“. Ziel des Plans ist es, Europas Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und den Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen.
Der EU Green Deal Industrial Plan beruht auf den folgenden vier Säulen:
Was bedeutet das im Detail?
Planungssichere und einfachere Regelungen
Die erste Säule soll einen Rechtsrahmen schaffen, der einfach umzusetzen ist, effektiv funktioniert und eine zuverlässige Planung ermöglicht. Dies umfasst den „Net Zero Industry Act“ (NZIA), der Investitionen anregen und bessere Bedingungen für saubere Technologien in Europa schaffen will. Bis 2030 soll die EU mindestens 40 % ihres jährlichen Bedarfs an grünen Technologien selbst decken können. Im Fokus des Vorhabens stehen unter anderem Bereiche wie Photovoltaik, Windenergie, Wasserstoff, Speichertechnologien, Geothermie und Netztechnologien. Zudem soll durch den „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) ein sicherer und nachhaltiger Zugang zu Materialien wie seltenen Erden gewährleistet werden, welche für die Herstellung von Schlüsseltechnologien von entscheidender Bedeutung sind. Damit will die EU ihre Lieferketten robuster gestalten und ihre Abhängigkeit von einzelnen Ländern verringern. Schließlich fällt auch noch die Reform des Strommarktes unter diese Säule. Diese Reform soll den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigen und somit die EU-Industrie sauberer und wettbewerbsfähiger machen. Das vieldiskutierte „Merit- Order-Prinzip“, nach dem der Strompreis vom teuersten Kraftwerk festgelegt wird, bleibt erhalten, wird aber durch zusätzliche Mechanismen ergänzt, die eine längerfristige Preisplanung sowohl für Verbraucher als auch Unternehmen gewährleisten. Dabei werden vor allem langfristige Abnahmeverträge zwischen Privatkunden und Erzeugern, sogenannte „Power Purchase Agreements“ (PPAs), oder langfristige Differenzverträge („Contracts for Difference“) zwischen Staaten und Erzeugern genannt.
Schneller Zugang zu Finanzmitteln
Die zweite Säule soll Investitionen in und Finanzierungen von sauberen Technologien in Europa beschleunigen. Dazu sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt geschaffen werden und gleichzeitig soll es Mitgliedstaaten leichter möglich sein, die notwendigen Beihilfen zur Beschleunigung des grünen Wandels bereitzustellen. Zusätzlich wird die Verwendung bestehender EU-Mittel erleichtert. Im Fokus stehen dabei REPowerEU, InvestEU und der Innovationsfonds.
Ausbau der Kompetenzen
Die grüne Transition der Wirtschaft kann nur mit einem entsprechenden Ausbau der Kompetenzen und Fachkräfte funktionieren. Dazu will die Kommission „Net- Zero Industry Academies“ einführen, um Weiterbildungs- und Umschulprogramme in strategischen Branchen zu ermöglichen. Zudem soll geprüft werden, inwieweit der Zugang für Drittstaatsangehörige zum EU-Arbeitsmarkt erleichtert werden kann und wie öffentliche und private Mittel zur Heranbildung qualifizierter Arbeitskräfte bereitgestellt werden können.
Offener Handel für resiliente Lieferketten
Im Rahmen der vierten Säule sollen Freihandelsabkommen und andere Formen der Zusammenarbeit mit Handelspartnern weiter ausgebaut werden, um den grünen Wandel zu unterstützen. Gleichzeitig will die Kommission den Binnenmarkt vor ausländischen Subventionen im Bereich der sauberen Technologien, welche den Wettbewerb verzerren könnten, schützen.
Zusammengefasst soll der Green Deal Industry Plan der EU dabei helfen, die eigene Industrie stärker zu fördern und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Er stellt damit die dringend notwendige Antwort auf Initiativen anderer Wirtschaftsmächte wie China oder USA im Wettlauf um saubere Technologien dar. Der Erfolg solcher Maßnahmen ist enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort und damit auch für den Kapitalmarkt. Raiffeisen Capital Management beobachtet die Entwicklungen in diesen Bereichen daher sehr genau.
Andreas Perauer
Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG