Artikel vom 07.03.2024 in Raiffeisenzeitung
Frauen und Finanzen, das ist eine Kombination, die lange Zeit stiefmütterlich behandelt wurde. Warum?
Heike Arbter: Bildung ist ein wichtiger allererster Schritt, um potenzielle Investoren an die Finanzmärkte zu bringen. Vielen Frauen fehlt das Produktwissen, um den Nutzen zu erkennen. Aber es kommt zunehmend auch in das Bewusstsein der Frauen, dass es relevant ist, in Wertpapiere zu investieren, um die Inflation abfedern und einen unabhängigen Lebensstandard finanzieren zu können.
Wie sehr hinken Frauen bei der finanziellen Vorsorge nach wie vor hinterher?
Karin Kunrath: Das wollten wir auch genauer wissen und haben daher eine Studie gemacht. Diese zeigt, dass Frauen zwar oft das Familienbudget verantworten, aber wenn es um die eigene Vorsorge geht, halten sich Frauen für weniger kompetent und sind daher oft zu defensiv. Es ist daher höchst an der Zeit, sich noch stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen und Frauen durch Finanzbildung diese Verunsicherung zu nehmen.
Das Thema ist seit einigen Jahren schon in den Fokus gerückt. Sieht man schon Verbesserungen?
Kunrath: Uns gehen diese Verbesserungen zu langsam. Wir müssen Frauen noch stärker an das Thema heranbringen, das heißt informieren, informieren und nochmals informieren. Es ist sicher auch ein Thema, dass Frauen insgesamt weniger liquide sind. Aber selbst bei weniger Kapital gibt es Möglichkeiten, sukzessive in den Kapitalmarkt einzusteigen – etwa durch Fondssparen – und damit ein Vermögen aufzubauen.
Im Zertifikate-Bereich gibt es auch schon länger Bemühungen, Investoren und Berater für das Thema zu sensibilisieren. Wie spricht man Frauen auf das Thema Vorsorge an?
Arbter: Die zentralen Bedürfnisse von Frauen sind Sicherheit und Sinnhaftigkeit. Sie wollen einen Impact haben, deshalb kann man Frauen sehr gut mit dem Thema Nachhaltigkeit ansprechen. Die klassischen Motive wie Vermögensvermehrung stehen bei Frauen weniger im Fokus als bei Männern. In der Kommunikation muss man also das Thema Sicherheit in den Vordergrund stellen. Das gelingt uns mit Zertifikaten sehr gut, weil wir bei mehreren Produkten Kapitalschutz anbieten.
Gibt es spezielle Beraterschulungen, wie man Frauen am besten anspricht?
Arbter: Es gibt Schulungen in allen Formaten und auch viele andere Initiativen, etwa eigene Frauenveranstaltungen mit Raiffeisenbanken und Landesbanken bis hin zu Themenworkshops. Es wird schon sehr viel in diese Richtung gemacht.
Wie groß ist das Interesse an solchen Frauenveranstaltungen?
Arbter: Es gibt unglaublich viel Interesse.
Kunrath: Das kann ich bestätigen. Auch wir als Raiffeisen KAG machen ganz gezielt Veranstaltungen für Frauen und haben die Erfahrung gemacht, dass Frauen unter Frauen einfach viel besser ins Gespräch kommen und sich dadurch auch für das Thema begeistern.
Die Raiffeisen KAG setzt auch stark auf Videos mit weiblichen Vorbildern. Ist das ein guter Weg, um mehr Frauen zu erreichen?
Kunrath: Wir haben gerade eine Initiative mit Viktoria Schnaderbeck und versuchen gezielt über Testimonials, Frauen ins Boot zu holen. Das gelingt ganz gut. Unsere Offensive kommt gut an.
Wissen Sie, wie groß der Anteil am Fondsvolumen bzw. am Zertifikatevolumen ist, der von Frauen gehalten wird?
Arbter: Das Zertifikatevolumen wird nicht getrennt nach Frauen und Männern gemessen.
Kunrath: Auch im Fondsbereich gibt es keine Aufsplittung.
So gesehen ist es schwierig, den Erfolg aller Initiativen zu messen?
Kunrath: Das Feedback kommt sehr direkt nach den Veranstaltungen, wo man mit den Kundinnen in den Austausch tritt und es später auch zu Abschlüssen kommt.
Sie haben die Studie der Raiffeisen KAG zur Geschlechterkluft in der Geldanlage angesprochen. Welche Erkenntnisse hat die Umfrage gebracht?
Kunrath: Eine zentrale Erkenntnis ist, dass sich Frauen im Unterschied zu Männern weniger kompetent fühlen und daher riskantere Assets wie Aktien und Investmentfonds insgesamt meiden und lieber beim Sparbuch bleiben. Zum einen, weil sie weniger Geld zur Verfügung haben, aber auch die Risikotoleranz ist nicht so gegeben. Sie greifen zu sicheren Anlageprodukten und lassen dadurch mögliche Erträge liegen, was wiederum dazu beiträgt, dass die Vermögenskluft zwischen Frauen und Männern weiter auseinandergeht. Hier wollen wir Klarheit hineinbringen und die verschiedenen Veranlagungsprodukte vorstellen, die jedes Risikoprofil abdecken..
Wie steht es tatsächlich um das Finanzwissen von Frauen?
Kunrath: In der Eigeneinschätzung sehen sich Frauen nach Schulnotensystem im Durchschnitt bei 3,7. Männer schätzen ihr Wissen mit 3,1 etwas besser ein. Wir haben das Finanzwissen dann auch tatsächlich getestet und gefragt, ob eine Anlage in Aktien eines einzelnen Unternehmens weniger riskant ist als die Anlage in einen Fonds. Das Ergebnis: 73,2 Prozent der Männer haben gewusst, dass die Anlage in einen Fonds weniger riskant ist, bei den Frauen waren es nur 53,5 Prozent. Die Selbsteinschätzung hat sich also bestätigt.
Sehen Sie das Thema Finanzbildung als Aufgabe der Banken bzw. jenen, die die Anlageprodukte kreieren? Oder sollte sich die Politik stärker einbringen?
Arbter: Wir investieren sehr viel, um die Finanzbildung vorwärtszubringen. Gerade in Zeiten höherer Inflation ist es unabdingbar, in Wertpapiere zu investieren. Da haben wir hohe Ansprüche und sehen das nicht ausschließlich als Aufgabe der Politik. Wir sehen uns hier in der Verantwortung. Nachdem wir Anlageprodukte auf den Markt bringen, wissen wir um die Funktionen sowie Chancen und Risken am besten Bescheid.
Sie sagen, von Frau zu Frau redet es sich einfacher. Werden Beraterinnen bei Frauen bevorzugt?
Kunrath: Jein. Wir sehen, dass wenn Frauen unter sich sind, das Gesprächsklima einfach ein anderes ist, das kann man sicher auch auf die Beraterseite ummünzen. Frauen fühlen sich wohler und werden offener, wenn sie einer Beraterin gegenübersitzen, aber natürlich gibt es wie überall Ausnahmen. Die Wahlfreiheit ist wichtig.
Wie und wo sollte man im aktuellen Umfeld in den Kapitalmarkt einsteigen?
Arbter: Aufgrund der aktuellen Marktsituation rechnen wir im Lauf des Jahres mit den ersten Zinssenkungen. Das heißt, Instrumente, mit denen es gelingt, die hohen Zinsen sozusagen "einzusperren", sind sicherlich allererste Wahl. Analysten zufolge wird 2024 ein positives Aktienjahr, auch wenn keine zweistelligen Zuwachsraten erwartet werden. Also unsere Flaggschiff-Produkte wie Kapitalschutz-, Teilschutz-, Bonus&Sicherheits-Zertifikate sind weiterhin hochaktuell.
In welche Fonds sollte man nun investieren –als Frau und ganz generell?
Kunrath: Es ist oft ein Diskussionspunkt, ob es ein eigenes Kapitalmarktprodukt für Frauen braucht. Wir als Raiffeisen KAG sind ganz klar der Ansicht: Der Kapitalmarkt ist für alle gleich. Deshalb braucht es keinen spezifischen Frauenfonds. Wir haben eine breite Produktpalette mit unterschiedlichen Risikoprofilen, wo man sich das passende Produkt herauspicken kann.
Wie sieht Ihr Kapitalmarktszenario aus?
Kunrath: Wir haben ein global schwaches Wirtschaftswachstum 2023 gehabt und erwarten das eigentlich auch für 2024. Trotzdem gehen wir von einem guten Kapitalmarktjahr aus, auch die ersten Berichtszahlen sind durchaus erfreulich. Wir sehen auch eine Verbesserung der Wirtschaftsdaten im Verlauf des Jahres und eine rückläufige Inflation, was den Notenbanken die Möglichkeit gibt, die Leitzinsen wieder zu senken. Das dürfte Mitte des Jahres passieren. In Erwartung der Zinssenkungen sind die Anleiherenditen Ende 2023 relativ stark zurückgekommen (und in den vergangenen Wochen wieder ein wenig angestiegen). In so einem Umfeld ist es gut mit einem gemischten Produkt einzusteigen, gerade für Frauen, die etwas risikoaverser sind. Mischfonds können die aktuell höheren Renditen auf der Anleihenseite mitnehmen und gleichzeitig auch auf der Aktienseite profitieren. Wir haben zwar keine Kapitalgarantie bei unseren Produkten, können durch Diversifikation das Risiko jedoch gut streuen und mit Ansparplänen reduziert sich auch das Risiko zu einem Höchststand einzusteigen. Risikofaktoren bleiben aber die geopolitische Situation, eine Rückkehr der Inflation sowie eine deutliche Rezession, davon gehen wir aber im Moment nicht aus.
Lesen Sie den aktuellen Kapitalmarktkommentar von Karin Kunrath
Frauen wollen beim Investieren einen Impact haben. Wie ist die Entwicklung im Nachhaltigkeitsbereich?
Arbter: Im Zertifikate-und Anleihegeschäft sind aktuell 36 Prozent unseres Volumens in nachhaltige Produkte investiert, das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr und den Jahren davor. Nachhaltigkeit ist ein relevantes Thema, aber ich rechne damit, dass die Zuwachsraten nicht mehr so stark sein werden.
Warum? Was spricht gegen eine nachhaltige Veranlagung?
Arbter: Es spricht nichts dagegen.
Wie sieht es bei den Fonds aus?
Kunrath: Wir haben bereits eine sehr große nachhaltige Produktpalette und mehr als die Hälfte unseres verwalteten Gesamtvolumens ist verantwortungsvoll gemanagt, im Publikumsfondsbereich sind es sogar fast 80 Prozent. Unsere ESG-Strategien im Asset-Management sind eine wesentliche Kompetenz. Das Thema wird bleiben und wir als Finanzdienstleister haben es auch in der Hand, den nachhaltigen Weg für die kommenden Generationen weiterzuverfolgen. Als Raiffeisen KAG sind wir überzeugt, dass verantwortungsvolles Investieren langfristig auf die hohe Qualität der Produkte einzahlt.
Frauen sind nicht nur in der Kapitalmarktveranlagung weniger aktiv, sondern auch im Assetmanagement sind Frauen in der Unterzahl. Wie sieht es in Ihren Teams aus?
Arbter: Mit den neuen, jungen Kolleginnen haben wir mittlerweile eine sehr schöne Frauen-Abdeckung. Wir achten auch sehr darauf und bemühen uns um eine höhere Frauenquote.
Kunrath: Wir haben im Fondsmanagement einen Frauenanteil von 24 Prozent, hätten ihn natürlich gerne höher. Man sieht allerdings, dass sich auf viele Positionen noch immer sehr viel mehr Männer bewerben.
Was war Ihre Motivation, sich mit dem Kapitalmarkt zu beschäftigen?
Arbter: Bei mir ist es eine lange Liebesgeschichte. 1990 wurde die österreichische Termin-und Optionenbörse gegründet und ich hatte das Glück, schon in den Startmonaten dabei zu sein. Die Faszination, was Kapitalmärkte, insbesondere auch derivative Instrumente, können, hat mich nie mehr losgelassen. Märkte zu verstehen und die Bedürfnisse der Investoren zu erkennen, diese Dualität hat mich immer begeistert. Es wird also nie fad.
Kunrath: Ich hatte mit 15 Jahren das Schulfach Volkswirtschaftslehre, in dem ich einen wöchentlichen Börsebericht vor der Klasse zum Besten gegeben habe. Da habe ich schon gewusst, ich möchte unbedingt in den Wertpapierbereich. Mein Ziel war es, mit 25 Jahren Portfoliomanagerin zu sein und später eine Führungsposition zu übernehmen. Auch ich kann sagen, selbst nach all den Jahren wird es nie langweilig.
Generell sind weibliche Role Models am Kapitalmarkt noch rar gesät. Jetzt sitzen mir zwei gegenüber. Wie geht es Ihnen in dieser Rolle?
Arbter: Ich fühle generell diese Mission, die Begeisterung für Finanzmärkte und für Finanzprodukte zu teilen und mache gerne auch Frauen Lust, sich mit den Themen zu beschäftigen. Frauen können sehr viel Mehrwert liefern, weil sie oftmals einen offenen Blick für Themen haben.
Kunrath: Es ist immer wieder ernüchternd, dass der Anteil an Frauen noch immer sehr gering ist. Netzwerke wie "FAM -Frauen im Asset Management" unterstützen Frauen, sich besser zu positionieren. Als Frau muss man nach wie vor etwas mehr um die Dinge kämpfen.
Hatten Sie damals Role Models?
Kunrath: Nein, ich wollte immer meinen eigenen Weg gehen. Es ist wichtig, authentisch zu bleiben und einfach an die Dinge, die man erreichen möchte, zu glauben, auch wenn es mal Unwägbarkeiten oder Hindernisse gibt. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, weil es eine sehr spannende Branche ist.
Arbter: Ich hatte auch keine spezifischen Vorbilder. Man muss seinen eigenen Weg gehen, dementsprechend kann man Dinge nicht kopieren. Aber natürlich lernt man interessante Menschen kennen, wo man sagt: Das ist jetzt eine interessante Aussage oder Sichtweise, oder diese Erkenntnis finde ich toll. Da gab es viele learnings für mich.
Wie lange werden wir über das Thema Frauen und Finanzen noch reden müssen?
Kunrath: Es geht jetzt darum, die Jugend zu begeistern, und da stelle ich im persönlichen Umfeld fest, das ist gar nicht so einfach. Aber in zehn, zwanzig Jahren wird man wohl nicht mehr darüber reden müssen.
Arbter: Unsere Zeit entwickelt sich im Moment so schnell, da passieren riesige Entwicklungsschritte, die auch unser Frauenthema beeinflussen. Ich glaube, es wird schneller gehen, eher in fünf Jahren.
Kunrath: Ich hoffe, du hast recht.