Infrastrukturprojekte unterstützen Indiens Wirtschaftswachstum
Jürgen Maier, Fondsmanager im Team „CEE & Global Emerging Markets“ bei Raiffeisen Capital Management, im Interview.
"Die indische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt."
Sie sind erst kürzlich von einer Dienstreise aus Indien zurückgekehrt. Welche Eindrücke von der wirtschaftlichen Lage Indiens haben Sie gewonnen?
Jürgen Maier: Die indische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Besonders beeindruckend ist die Vielzahl an Infrastrukturprojekten, die derzeit umgesetzt werden. Diese Projekte treiben nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung voran, sondern verbessern auch die Lebensqualität der Bevölkerung erheblich. Wir haben einige dieser Projekte in Mumbai besichtigt
Welche Projekte waren das?
Ein herausragendes Projekt ist der neue Flughafen in Navi Mumbai, der nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Dieser Flughafen wird die Überlastung des bestehenden Flughafens in Mumbai erheblich reduzieren und durch seine günstige Lage eine bessere Anbindung an das südliche Stadtzentrum bieten. Solche Projekte sind entscheidend für die weitere Urbanisierung und wirtschaftliche Expansion Mumbais, viele indische Unternehmen sind hier involviert.
Auch die neue U-Bahn in Mumbai ist bemerkenswert. Nach Jahren der Bauzeit sind zehn Stationen der ersten Linie nun in Betrieb. Die hohe Qualität der Infrastruktur in den Stationen selbst und auch die modernen Zugsgarnituren sind beeindruckend. Auch hier profitieren nicht nur internationale Konzerne, sondern auch sehr viele indische Baufirmen und Zulieferer von den staatlichen Aufträgen.
Ein Projekt ist der Hochgeschwindigkeitszug zwischen Mumbai und Ahmedabad. Welche Vorteile bringt er für die Bevölkerung?
Dieser neue Hochgeschwindigkeitszug, der bei Höchstleistung bis zu 320 km/h erreicht, ist ein weiterer erwähnenswerter Meilenstein. Dieses Projekt wird die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden wichtigen Wirtschaftszentren erheblich verbessern und die Fahrzeit von bisher acht auf zwei Stunden reduzieren. Besonders beeindruckend war die Besichtigung der Untertunnelung zwischen Mumbai-Zentrum und der Stadtgrenze von Mumbai. Hier kommen modernste Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz, wie wir es von Europa oder den USA kennen.
Im Zentrum dieser Projekte steht die öffentliche Verkehrsanbindung.
Ja, in Anbetracht der hohen Bevölkerungsdichte Indiens ist das ein brennendes Thema. All diese Projekte zeigen, dass Indien nicht nur in großem Maßstab denkt, sondern auch in der Lage ist, komplexe technische Herausforderungen zu meistern. Profiteure dieser Politik sind viele indische Unternehmen der Branche, wie Larsen & Toubro sowie Tochterunternehmen global agierender Konzerne wie Siemens Indien oder ABB Indien.
Große Infrastrukturprojekte verzögern sich nicht selten. Ist das auch in Indien Thema?
Historisch betrachtet, waren jahrelange Verzögerungen derartiger Projekte eher die Regel als die Ausnahme. Das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Es ist deutlich erkennbar, dass es hier einen politischen Willen gibt, derartige Projekte voranzutreiben. Die bürokratischen Hürden wurden erheblich reduziert, und neue Gesetze sorgen dafür, dass Grundstückseigentümer faire Preise für ihr Land erhalten, was zu schnelleren Verkäufen und einer zügigeren Umsetzung der Projekte führt.
Die Maßnahmen scheinen auch in der Bevölkerung auf großen Zuspruch zu stoßen.
Ja, das politische Engagement für diese Projekte wird auch bei Wahlen belohnt. Die amtierende Regierung in Maharashtra mit der Hauptstadt Mumbai konnte zuletzt deutlich zulegen, was auch auf die erfolgreiche Umsetzung dieser wichtigen Infrastrukturprojekte zurückzuführen ist. Diese Projekte schaffen nicht nur Erleichterungen im Alltag und kürzere Fahrzeiten, sondern auch eine Menge Arbeitsplätze.
Welche anderen Sektoren – neben der Infrastruktur –boomen derzeit in Indien?
Eine Branche, die in Indien derzeit ebenfalls boomt, ist der Quick Commerce, ein neuer Trend im Online-Handel. Das Quick bezieht sich auf die Zustellzeit. In Indien beträgt diese teilweise nicht einmal 15 Minuten. Die kleinen Lager für die bestellbaren Güter – Lebensmittel etc. – befinden sich über die ganze Stadt verteilt, sodass eine schnelle Zustellung möglich ist. Dieses Service wird von der indischen Bevölkerung extrem gut angenommen. Anbieter wie Zepto, Swiggy und Blinkit profitieren von diesem Trend sehr stark. Quick Commerce hat sich zu einem wichtigen Teil ihrer Geschäftsstrategie entwickelt und macht mittlerweile einen wichtigen Teil des Umsatzes aus.
Hat dieser Trend Auswirkungen auf das Konsumgütersegment?
Der große Zulauf auf Quick-Commerce-Anbieter hat zur Folge, dass die vielen kleinen Geschäfte, die sogenannten Mom & Pop-Stores, weniger verkaufen. Diese Geschäfte haben nur ein begrenztes Angebot und beziehen ihre Waren meist von großen Herstellern wie zum Beispiel Hindustan Unilever, Nestle Indien oder anderen großen Lebensmittelkonzernen, während Quick-Commerce-Betriebe auch mit günstigeren Anbietern kooperieren. Dies bekommen die großen Konsumgüterhersteller natürlich zu spüren. Sie erleben derzeit in Indien ein schwächeres Wachstum.
Indien ist traditionell im IT-Sektor sehr stark, wie entwickelt sich dieser Sektor aktuell?
Der IT-Outsourcing-Bereich floriert weiterhin. Die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen ist stark, und die Implementierung von
Welche Rolle spielen erneuerbare Energien in Indien? Kommt die Transformation voran?
Im Energiesektor investiert Indien derzeit massiv in erneuerbare Energien - auch um sich von Ölimporten aus Russland unabhängiger zu machen. Speziell in Solarenergie hat Indien in den letzten Jahren sehr viel investiert, aber auch die Windkraft wächst stark. Aufgrund der stark wachsenden Stromnachfrage benötigt Indien jedoch nach wie vor Kohlekraftwerke. Dennoch ist der Trend hin zu Erneuerbaren zu erkennen. Dass Solarstrom mittlerweile auch ohne Förderung günstiger ist als Strom aus Kohlekraftwerken unterstützt das Umdenken bei der Energiepolitik entsprechend.
Spielt Nachhaltigkeit auch in der Autoindustrie eine zunehmende Rolle?
Die indische Autoindustrie ist mittlerweile die drittgrößte der Welt nach China und den USA. Allein im letzten Jahr wurden 4,2 Millionen Autos in Indien verkauft, und dennoch ist die Durchdringungsrate mit 59 Autos pro 1000 Indern vergleichsweise gering und entspricht derjenigen der USA im Jahr 1918. Die Elektroquote bei Neuwagen ist noch sehr niedrig und liegt bei knapp zwei Prozent, was vor allem an der fehlenden Ladeinfrastruktur liegt. Bei Mopeds und Scootern gibt es bereits einen klaren Trend hin zum Elektroantrieb, bei den PKWs wird es noch dauern.
"Mittel- bis langfristig sehen wir den Markt jedoch sehr positiv, da das Land auch strukturell viele Reformen durchgeführt hat, die die wirtschaftliche Entwicklung weiter unterstützen werden."
Wir wirken sich all diese Entwicklungen auf die Fondsinvestments von Raiffeisen Capital Management aus?
Indien ist einer der stärksten asiatischen Aktienmärkte. Kurzfristig sehen wir bei der Bewertung schon viel Positives eingepreist. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt in Indien derzeit bei 25, was ein hohes Niveau ist. Wir waren in
>> Video aus wallstreetONLINE: So tickt Indien
Boomende Infrastruktur, junge Bevölkerung. Jürgen Maier, Fondsmanager bei Raiffeisen KAG, im TV-Interview bei wallstreetONLINE.
Der Raiffeisen- Nachhaltigkeit-EmergingMarkets-Aktien weist eine erhöhte Volatilität auf, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.