Greenabler: Rohstoffe aus der Tiefsee
Auch zukünftig wird von einem hohen Bedarf ausgegangen, denn Greenabler finden Eingang in Batterien von Elektrofahrzeugen, Magnete von Windturbinen und andere Anwendungen der erneuerbaren Energien. Die gestiegene Rohstoffnachfrage hat das Interesse an den Rohstoffvorkommen der Tiefsee aufleben lassen und zahlreiche Diskussionen rund um deren potenzielle Förderung ausgelöst. Unter Tiefseebergbau versteht man gemeinhin die Förderung dreier Arten von Rohstoffvorkommen:
polymetallische Sulfide (sogenannte Schwarze oder Weiße Raucher),
polymetallische Knollen (sogenannte Manganknollen) und
kobalthaltige Eisen-Mangankrusten,
die gehäuft in der Tiefsee zu finden sind. Die Rohstoffvorkommen sind über viele Millionen Jahre entstanden*, deren Gehalt an Greenablern liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich**.
* Kobalthaltige Eisen-Mangankrusten z. B. wachsen bis zu 5 mm in 1 Million Jahre. Polymetallische Knollen mit einem Durchmesser von 15 cm können bis zu 15 Millionen Jahre alt sein.
** Je nach Lage und Rohstoffvorkommen unterscheidet sich der Rohstoffgehalt. Beispiel: Eine polymetallische Knolle aus dem Peru-Becken hat folgenden durchschnittlichen Metallgehalt: 1,3 % Nickel, 0,6 % Kupfer, 0,05 % Kobalt. Der Mangangehalt kann bei 34,2 % liegen (Quelle: Geomar).
Schwarze oder Weiße Raucher
Die aus dem Meeresboden aus säulen- oder röhrenförmigen Gebilden aufsteigende erwärmte Flüssigkeit ist mit hellen oder dunklen Partikeln angereichert und erinnert an aufsteigende Rauchwolken, deshalb auch als Schwarze oder Weiße Raucher bekannt.
Tiefsee als größtes Ökosystem
Die Tiefsee umfasst die Wassersäule und den Meeresboden ab ca. 200 Meter Tiefe. Diese Gebiete sind größtenteils oder vollständig lichtlos und befinden sich oft außerhalb nationaler Hoheitsgebiete. Dadurch unterliegt der Großteil des Tiefseemeeresbodens der Internationalen Meeresbodenbehörde (engl. International Seabed Authority, ISA oder ISBA), die von den Vereinten Nationen gegründet wurde.
Die ISA hat ein duales Mandat:
Einerseits soll sie die Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit schützen,
Andererseits soll sie die wirtschaftliche Rohstoffgewinnung in der Tiefsee fördern.
Die Tiefsee, die etwa 54 % der Erdoberfläche bzw. rund 90 % der Ozeane umfasst, beherbergt das größte Ökosystem der Erde und ist Heimat zahlreicher spezialisierter Arten, die unter extremen Bedingungen wie hohem Druck, niedrigen Temperaturen, relativ hohem Säuregehalt im Umgebungswasser und ohne Licht leben.
Besonders hoch ist die Artenvielfalt in Tiefseegebieten mit den oben genannten Rohstoffvorkommen. Die Ursache dafür liegt vor allem in dem höheren Nährstoffgehalt des umliegenden Wassers. Auch sind zum Beispiel die polymetallischen Knollen das einzig feste Gestein in dem sonst sehr weichen Tiefseemeeresboden, sodass sich sesshafte Organismen nur dort ansiedeln können.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Leben in der Tiefsee entdeckt. Die systematische Erforschung begann mit der britischen Challenger-Expedition von 1872 bis 76. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Entdeckungen gemacht, wie die ersten Schwarzen Raucher im Jahr 1978/79, und das DISCOL-Experiment in den späten 1980er-Jahren durchgeführt, das die Auswirkungen von Störungen auf den Tiefseeboden untersuchte.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Förderung von Rohstoffen in der Tiefsee nur kleinflächig im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsexpeditionen durchgeführt. Die eingesetzten Geräte basieren oft auf Technologien für Erdöl-Tiefseebohrungen und haben die Entwicklungsphase meist noch nicht abgeschlossen. Im kommerziellen Ausmaß findet Tiefseebergbau aktuell noch nicht statt
DISCOL-Experiment
DISCOL steht für DISturbance and reCOLonization Experiment: Ein Manganknollenfeld (11 km²) wurde 1989 gepflügt, um Tiefseebergbauaktivitäten zu simulieren. Ein neuerlicher Tauchgang nach 26 Jahren hat einen beinahe unveränderten Meeresboden ohne Spuren von Wiederbesiedelung gezeigt.
Risiken und Folgen des Tiefseebergbaus
Mit dem Tiefseebergbau sind erhebliche ökologische Risiken verbunden. Eingriffe in die Tiefsee können langfristige Störungen des Ökosystems und Artensterben nach sich ziehen, die potenziell weitreichende Konsequenzen für andere Lebensräume und deren Nahrungsketten haben. Die Kosten für Förderung, Forschung und Überwachung in der Tiefsee sind sehr hoch, die Renaturierung ehemaliger Förderstätten ist komplex und langwierig (falls überhaupt vollständig möglich).
Die Internationale Meeresbodenbehörde spielt eine zentrale Rolle bei der Vergabe von Lizenzen und der Entwicklung von Umweltschutzstandards, steht jedoch aufgrund ihres dualen Mandats – Schutz der Bodenschätze und Förderung der wirtschaftlichen Nutzung – in der Kritik. Die Tiefsee und deren Rolle in globalen komplexen Zusammenhängen bei Klima, Nahrungsketten und Ähnlichem sind noch nicht ausreichend erforscht, um die Folgen so weitreichender und langlebiger Eingriffe in dieses fragile Ökosystem abschätzen zu können.
Bislang hat die Internationale Meeresbodenbehörde keine Lizenz für kommerziellen Tiefseebergbau vergeben, deren Kodex für kommerziellen Tiefseebergbau ist noch nicht fertiggestellt. Angesichts der oben skizzierten Unsicherheiten haben viele Wissenschaftler, Umweltschutzorganisationen, Unternehmen und Staaten zu einem Moratorium für den Tiefseebergbau aufgerufen, bis weitere Forschungsergebnisse vorliegen und wirksame Schutzmaßnahmen entwickelt werden können.
Die Raiffeisen KAG lehnt Tiefseebergbau ab. Die Umweltrisiken und weitreichenden Konsequenzen der Eingriffe in das Ökosystem sind nach heutigem Wissensstand mit verantwortungsvollem Ressourcenumgang nicht vereinbar.
Autorin
Mag.a Magdalena Quell, Produkt- und Projektmanagerin Raiffeisen Kapitalanlage GmbH