Zukunfts-Thema Infrastruktur
Über den Tellerrand hinausblicken und Investmententscheidungen gut begründen können, sind zentrale Elemente beim verantwortungsvollen Investieren. Raiffeisen Capital Management hat daher vor einigen Jahren interdisziplinäre Arbeitsgruppen im Fondsmanagement installiert, die sich mit den Zukunfts-Themen Energie, Infrastruktur, Rohstoffe, Mobilität, Kreislaufwirtschaft, Technologie sowie Ernährung & Gesundheit beschäftigen. Fondsmanager Stefan Grünwald steht diesen Teams vor und leitet selbst die Arbeitsgruppe Infrastruktur. Wir haben ihn zu wichtigen Themen der Infrastruktur in Hinblick auf die Transformation befragt und welche Investmentchancen sich daraus ergeben.
Fondsmanager Stefan Grünwald über den Wandel der Infrastruktur und Investmentchancen
Der folgende Artikel ist eine verkürzte Version des Interviews aus dem "Der Börse- und Wirtschaft"-Podcast Von Bullen und Bären.
Sie bezeichnen die Infrastruktur als das Rückgrat einer Gesellschaft. Können Sie uns kurz darlegen, wie Sie diesen Begriff definieren?
Grünwald: Die Infrastruktur beeinflusst unser Leben maßgeblich, denn über sie kann Leistung aber auch Angebot zur Verfügung gestellt werden, und über sie werden Abläufe organisiert. Die Infrastruktur unterliegt selbst aber auch einem starken Wandel. Vor 50 Jahren hat unsere Infrastruktur noch völlig anders ausgehen als jetzt. Und in 50 Jahren wird sie wieder anders aussehen. Dieser Wandel entsteht sehr stark durch die politischen Rahmenbedingungen, aber auch durch globale Trends.
Sie leiten bei Raiffeisen Capital Management ein Team, das sich dem Zukunfts-Thema Infrastruktur widmet. Wie gehen Sie dabei vor und worauf kommt es Ihnen an?
Grünwald: Wir haben uns in einem ersten Schritt angesehen, welche globalen Megatrends die Infrastruktur verändern. Das sind Themen wie Energiewende, Digitalisierung, Mobilitätsthemen, Urbanisierung oder auch Demographie. Auch das Thema künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahrzehnten eine große Rolle spielen. Die Unterteilung in physische Infrastruktur – alles was in Richtung Netze, Pipelines, Speicher, Gebäude, Kraftwerke usw. geht – sowie in eine immaterielle Infrastruktur, die Themen wie Telekommunikation, Smart Grids bis hin zum digitalen Daten- und Informationsaustausch umfasst, erschien uns sinnvoll. Uns geht es darum, zu erfassen, wo diese Megatrends Auswirkungen auf die Infrastruktur haben, denn dort wird es für Anleger:innen spannend. Weil sich genau dort, wo sich Infrastruktur wandeln und wo sie angepasst werden muss, interessante Investmentchancen ergeben. Wir bewerten diese Investmentchancen und diese Veränderungen sehr stark aus ESG*-Sicht. Nicht jede Veränderung der Infrastruktur ist aus ESG-Sicht positiv. Unsere Einschätzungen sind dann – in Hinblick auf das Thema Infrastruktur – die Basis für unseren Investmentprozess, sie kommen dem gesamten Fondsmanagement zugute.
Können Sie uns Beispiele für derartige Veränderungen bei der Infrastruktur nennen?
Grünwald: Im Zuge der Energiewende wird es mannigfaltige Veränderungen geben müssen. Schon jetzt wissen wir, dass wir mit der Einspeisung aus größeren PV-Anlagen massive Probleme haben werden, weil es die Infrastruktur nicht hinbekommt, den kurzfristigen Überschuss zu managen. Das heißt, es wird bei den Stromnetzen, bei den Speichern, aber auch bei der Gebäudeinfrastruktur massive Veränderungen geben müssen. Das geht bis hin zur Digitalisierung der Stromnetze. Das Energieangebot wird dezentral werden, weil im Endeffekt jeder – über PV-Anlagen und so weiter, selbst Energie zur Verfügung stellen kann. Auch die Nachfrage wird sich dezentralisieren. Angebot und Nachfrage müssen in Übereinstimmung gebracht und synchronisiert werden. Hinzu kommt, dass Sonne und Wind, die maßgebliche Energieträger sein werden, nicht zu jeder Tages- und Jahreszeit gleichförmig Energie liefern können – auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle. Auch hier muss ein Ausgleich geschaffen werden. Die Übertragungsfähigkeit der Energienetze und auch die lokale Distributionsfähigkeit muss erhöht werden. Und es muss ein effizientes Energiemanagement und eine simultane Abstimmung innerhalb des Netzes stattfinden. Das wird die Struktur des Netzes sehr stark verändern.
Der Anteil der immateriellen Infrastruktur wird im Vergleich zur physischen rasant ansteigen, richtig?
Grünwald: Ja, diesen Trend sehen wir jetzt schon und wird durch die zunehmende Digitalisierung und durch die künstliche Intelligenz, in welchen Anwendungsformen auch immer, weiter vorangetrieben. Natürlich wird die physische Infrastruktur nicht verschwinden, Straßen, Verkehrsnetze, Gebäude etc. werden wir weiter brauchen. Aber die Art, wie wir künftig Austausch generieren, also beispielsweise Handel betreiben, wird sich ändern. Die Art wie Energie zur Verfügung gestellt wird und wie das gemanagt wird, wird sich ändern. Und diese Veränderungen sind sehr stark mit der digitalen Welt und zukünftig auch mit der künstlichen Intelligenz verwoben.
Um welche Veränderungen geht es da konkret?
Grünwald: Die starken Veränderungen bei den Stromnetzen habe ich schon angesprochen. Darüber hinaus werden wir auch in unseren eigenen vier Wänden viel effizienter mit dem Thema Energie umgehen. Das betrifft die digitale Steuerung, also wann welches Gerät entsprechend dem Stromangebot eingeschaltet wird oder eben nicht. Oder wann die Speicher aufgeladen werden. SmartWater ist ein weiterer Begriff, der sich etablieren wird. Dabei geht es um die Digitalisierung des Wasserangebots, eine Echtzeitüberwachung des Wasserversorgungssystems. Hier werden Daten wie Wasserfluss, Druck, Temperatur und die Qualität des Wassers kontinuierlich erfasst. Gleichzeitig werden Versorgung und Nutzung des Wassers optimiert. So lassen sich Wasserverluste verringern und die Qualität steigern.
Was können wir bei der Telekommunikation erwarten?
Grünwald: Ein sehr wichtiger Aspekt ist der Ausbau von 5G. In manchen Gegenden der Welt reden wir schon von 6G, nämlich in Asien. Diese fünfte Generation der Mobilfunktechnologie, bietet eine höhere Geschwindigkeit, höhere Sende- und Empfangszeiten und -kapazitäten und darüber hinaus auch eine verbesserte Zuverlässigkeit. Auch die Themen Internet of Things, autonomes Fahren, Industrieautomation und so weiter hängen im Endeffekt auch davon ab, dass es hier zu einem starken Ausbau kommt. Auch diesem Thema haben wir uns gewidmet. Wichtig wird auch werden, welches digitale Angebot einerseits der öffentliche Sektor, aber auch der private Sektor bereitstellt. Durch die Digitalisierung wurde in den letzten Jahren eine neue Art von Infrastruktur geschaffen, die uns ermöglicht, in diesem Raum zu handeln, oder sich auszutauschen. Und das wird ein großer Trend werden, der unsere Infrastruktur und die Art und Weise, wie wir sie benutzen, sehr stark verändern wird.
Sie stützen sich für die qualitative Bewertung von Zukunfts-Themen sehr stark auf Daten aus der Vergangenheit – funktioniert das?
Grünwald: Das ist korrekt. Wir bewerten diese Themen natürlich mit der Grundlage von Daten, aber die Aussagen, die wir treffen, sind sehr stark qualitativ. Das heißt, wir müssen entscheiden, was wir besser, und was wir schlechter finden. Es gibt kein eindeutiges Schwarz-Weiß-Denken. Darüber hinaus müssen wir aber auch qualitative Einschätzungen treffen, die nicht rein zahlenbasiert sind. Auf diese Weise gehen wir sehr stark weg von einer reinen Score-Betrachtung, was ansonsten in ESG-Ansätzen sehr üblich ist, und hin zu einer qualitativen Einschätzung von Themen, von Risiken, aber auch von Chancen. Nicht nur in der Infrastruktur, sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen betreffen diese Veränderungen oft ESG-Themen, und da gibt es eben auch Wachstumschancen. Tendenziell können mit der Berücksichtigung von ESG aber auch gewisse Risiken vermieden werden. Diese neue Art des Wirtschaftens muss bewertet werden, ob es einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen gibt oder eben nicht. Diesen Ansatz verfolgen wir. Die qualitative Meinung in Hinblick auf ESG wird zunehmend wichtig werden, um Themen einzuschätzen.
Raiffeisen-NewInfrastructure-ESG-Aktien
Der Raiffeisen-NewInfrastructure-ESG-Aktien ist ein globaler Themenfonds anhand nachhaltiger Kriterien. Er investiert primär in Aktien von Unternehmen, die dem Aufbau und Erhalt von Infrastruktur dienen, insbesondere Industrie, Technologie, Telekommunikation, Versorgung, Energie, Gesundheitswesen. Der Fonds möchte ökologische/soziale Merkmale fördern und investiert anhand von ESG-Kriterien.
Investmentuniversum**:
Unternehmen, die von Infrastrukturausgaben profitieren
keine Einschränkung bezüglich Länder bzw. Regionen (globales Investmentuniversum)
ca. 20 % in Emerging Markets
Währungen werden grundsätzlich nicht abgesichert
Der Fonds im Detail: Raiffeisen-NewInfrastructure-ESG-Aktien
Die notwendigen Investitionen in Infrastruktur sind enorm. Woher soll das Geld kommen?
Grünwald: Bei den großen Finanzierungsprojekten wird das doch eher in Richtung Staat gehen. Wobei es auch hier Grenzen gibt. Man sieht das an der Diskussion in Deutschland, wo die Schuldenbremse großen Transformationsprojekten zur Energiewende entgegensteht. Und da hakt es dann bei der Finanzierung dieser extrem großen Projekte. Was von staatlicher Seite durchaus noch stärker angedacht werden sollte, ist, ob man hier nicht speziell für die Zwecke des Umbaus der Infrastruktur Geld aufnimmt oder Green oder Social Bonds begibt. Ein Trend den wir international und auch in Europa schon sehen. Das wird sich weiter fortsetzen. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, private Unternehmen in die Finanzierung von großen Projekte reinzuholen. Beispielsweise in Form von Public-Private-Partnerships. Hier gibt der Staat den Rahmen vor, sagt was er gerne hätte, und das Privatunternehmen finanziert, baut und darf dann – gegen eine gewisse Gebühr – die Infrastruktur betreiben, mit der er dann im Normalfall auch Gewinn macht. Bei kleineren Projekten – Adaptierungen, Umbauten, Erweiterungen der bestehenden Infrastruktur, die ebenfalls wichtige Stellhebel für die Erreichung der Klimaziele sind – wrid die private Finanzierung die größte Rolle spielen.
Was sind aus Anlegersicht interessante Infrastrukturbereiche?
Grünwald: Klar ist, dass es aufgrund der politischen Rahmenbedingungen – global betrachtet – künftig sehr stark in Richtung ESG gehen wird. Da wird es dann darum gehen, die Chancen und Risiken dieser Entwicklungen zu bewerten. Die Energiewende bietet sehr viele Investmentchancen. Denn hinter den finanzierten Projekten stehen Unternehmen, die Gewinne erzielen können. Wir sehen aber nicht nur im Energiebereich große Chancen, sondern auch bei der Gebäudeinfrastruktur. Denn auch dort können CO2-Emissionen in großem Umfang eingespart werden. Auch hier sind Milliardeninvestments geplant, die Anleger:innen bei entsprechender Positionierung Chancen bieten.
Und in welchen Fonds werden diese Erkenntnisse umgesetzt?
Grünwald: Grundsätzlich kommen unser Wissen, unsere Arbeit und unsere Einschätzungen dem gesamten Fondsmanagement zugute. Im besonderen Ausmaß profitieren aber natürlich jene Fonds, die stark in Richtung Energiewende, Megatrends und Infrastruktur investieren, allen voran der Raiffeisen-NewInfrastructure-ESG-Aktien, der nach ESG-Kriterien gemanagt wird.
Tipp: Weiterführende Informationen zu Infrastruktur finden Sie auch unter investment-zukunft.
Der Raiffeisen-NewInfrastructure-ESG-Aktien weist eine erhöhte Volatilität auf, d. h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.
Erläuterungen:
*Nachhaltiges Finanzwesen bezieht sich im Sinne des Green Deals der EU auf den Prozess der Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen (ESG) bei Investitionsentscheidungen im Finanzsektor, was zu langfristigeren Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte führt.
**Bei dem hier angeführten Investmentuniversum handelt es sich um interne, unverbindliche Regelungen, die jederzeit und ohne Ankündigung geändert werden können.